Abstimmung zur Organspende: Nach dem «Ja zur Widerspruchslösung»

Das Volk hat am 15. Mai 2022 entschieden, in der Schweiz die Widerspruchslösung einzuführen. Sie wird voraussichtlich erst ab 2025 gelten.

Nach dieser Regelung muss man explizit festhalten, wenn man nach dem Tod keine Organe und Gewebe spenden will. Sie wird jedoch frühestens 2025 eingeführt, weil zuerst Details zur Umsetzung im Verordnungsrecht geklärt werden müssen. Ausserdem werden ein Register aufgebaut und eine breite Kampagne zur Information der Bevölkerung ausgearbeitet. 

Bis zum Zeitpunkt der Umstellung gilt weiterhin die erweiterte Zustimmungslösung. 

Die beiden Regelungen im Überblick:

Zustimmungslösung

Die heute gültige Regelung

Organe oder Gewebe dürfen einer verstorbenen Person nur dann entnommen werden, wenn dafür eine Einwilligung vorliegt. Liegt keine dokumentierte Zustimmung oder Ablehnung der verstorbenen Person vor, werden die nächsten Angehörigen gefragt, ob sie deren Willen kennen. Falls der Wille nicht bekannt ist, müssen die Angehörigen im Sinne der betroffenen Person entscheiden. 

Hat die Person ihren Willen nicht festgehalten und sind keine Angehörigen erreichbar, dürfen keine Organe oder Gewebe entnommen werden.

Widerspruchslösung

Neue Regelung (frühestens ab 2025)

Jede Person gilt grundsätzlich als Spenderin oder Spender von Organen und Geweben, ausser sie hat zu Lebzeiten festgehalten, dass sie nicht spenden will. Falls die verstorbene Person ihren Willen zu Lebzeiten nicht festgehalten hat, können die Angehörigen eine Organentnahme ablehnen, wenn sie wissen oder vermuten, dass die betroffene Person sich dagegen entschieden hätte.

Hat die Person ihren Willen nicht festgehalten und sind keine Angehörigen erreichbar, dürfen keine Organe oder Gewebe entnommen werden.

Weitere Informationen findest du auf der Website des Bundesamtes für Gesundheit.

Häufige Fragen zur Widerspruchslösung

Die folgenden Fragen und Antworten zeigen, wie der vorgelegte Gesetzesentwurf die Widerspruchslösung regeln will:
Warum soll die Widerspruchslösung eingeführt werden?

Die Spendenzahlen sind in der Schweiz verhältnismässig tief. Leider halten viele zu Lebzeiten nicht fest, ob sie nach dem Tod Organe oder Gewebe spenden wollen. Und auch die Angehörigen werden nur selten darüber informiert. Wenn die Angehörigen den Willen aber nicht kennen, lehnen sie eine Spende häufig ab, wenn sie im Spital dazu befragt werden. In Umfragen jedoch spricht sich die Mehrheit der Bevölkerung grundsätzlich für die Organspende aus. Dieses Potenzial wollen der Bundesrat und das Parlament mit der Einführung der Widerspruchslösung besser nutzen. Damit können die Chancen jener Menschen verbessert werden, die auf ein Organ warten. Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass die Widerspruchslösung dazu beitragen kann, die Zahl der Organspenden zu erhöhen.

Was würde sich mit der Widerspruchslösung ändern?

Unter der Widerspruchslösung gilt jede Person grundsätzlich als Spenderin oder Spender, ausser sie hat zu Lebzeiten festgehalten, dass sie nicht spenden will. Die Angehörigen sollen aber auch künftig einbezogen werden, falls jemand seinen Willen zu Lebzeiten nicht festgehalten hat (deshalb spricht man von der erweiterten Widerspruchslösung). Die Angehörigen können eine Organentnahme ablehnen, wenn sie wissen oder vermuten, dass die betroffene Person sich dagegen entschieden hätte. Hat die Person ihren Willen nicht festgehalten und sind keine Angehörigen erreichbar, dürfen keine Organe entnommen werden.
Weitere Informationen: Organspende: Zustimmungslösung oder Widerspruchslösung?

Ab wann gilt die Widerspruchslösung?

Sollte das Volk sich für die Einführung der Widerspruchslösung aussprechen, würde die Umstellung frühestens 2025 erfolgen. Insbesondere, weil die Bevölkerung frühzeitig und breit über den Wechsel informiert werden muss. Zudem muss ein Register aufgebaut werden, in dem man den Widerspruch gegen eine Organspende nach dem Tod eintragen kann. Bis dahin gilt weiterhin die erweiterte Zustimmungslösung.  Mehr Informationen zu den Unterschieden zwischen Zustimmungslösung und Widerspruchslösung und zu deren erweiterten und engen Formen.

Wie geht man vor, wenn man nach dem Tod nicht spenden möchte?

Wer unter der Widerspruchslösung nach dem Tod keine Organe oder Gewebe spenden will, muss dies explizit festhalten. Der Bund wird dafür ein neues Register schaffen, in dem man seinen Willen eintragen kann.

Wie geht man vor, wenn man nach dem Tod spenden möchte?

Grundsätzlich muss man nichts tun. Ohne Widerspruch können die Ärztinnen und Ärzte unter der Widerspruchslösung davon ausgehen, dass eine Person spenden wollte. Allerdings lohnt es sich, auch ein Ja zur Spende festzuhalten, etwa im Register, und seine Absicht den Angehörigen mitzuteilen.

Welche Rolle spielen die Angehörigen bei der vorgesehenen Widerspruchslösung?

Wird kein dokumentierter Wille der sterbenden Person gefunden, müssen die Angehörigen befragt werden. Sie müssen überlegen, wie sich die Person entscheiden würde, wenn sie sich noch äussern könnte. Angehörige können einer Organentnahme widersprechen, wenn dies dem mutmasslichen Willen der betroffenen Person entspricht.

Was würde passieren, wenn die Angehörigen nicht erreicht werden?

Wenn keine Willensäusserung vorliegt und trotz Nachforschungen keine Angehörigen erreichbar sind, dann ist unter der vorgesehenen Widerspruchslösung eine Entnahme von Organen verboten.

Wer gilt als «nächste Angehörige»?

Als «nächste Angehörige» gelten Lebensgefährten (Ehegattin, Ehegatte, eingetragene Partnerin bzw. Partner, Lebenspartnerin, Lebenspartner), Kinder, Eltern, Geschwister, Grosseltern oder andere Personen, die mit der betroffenen Person eng verbunden sind.

Zum Entscheid befugt ist, wer mit der betroffenen Person am engsten verbunden ist. Gleiche Rechte wie die nächsten Angehörigen haben auch eigens bestimmte Vertrauenspersonen.

Für wen würde die Widerspruchslösung gelten?

Wenn die Widerspruchslösung eingeführt wird, gilt sie grundsätzlich für alle Personen, die in der Schweiz versterben und aus medizinischer Sicht für eine Organspende infrage kommen. Dabei gilt immer, dass bei einer fehlenden Willensäusserung der betroffenen Person deren Angehörige angefragt werden müssen.

Wären auch Touristinnen und Touristen von einer Einführung der Widerspruchslösung betroffen?

Ja. Wenn jedoch keine eindeutige Willensäusserung vorliegt, müssen auch hier immer die nächsten Angehörigen angefragt werden. Nur wenn diese nicht widersprechen, ist eine Entnahme von Organen und Geweben möglich. Die Angehörigen müssen dabei den mutmasslichen Willen der betroffenen Person berücksichtigen. Sind keine Angehörigen erreichbar, ist eine Entnahme verboten. Damit sind auch Touristinnen und Touristen davor geschützt, dass Organe gegen ihren Willen entnommen werden.

Was würde für Kinder und Jugendliche gelten?

Wie bis anhin dürfen Jugendliche ab 16 Jahren ihren Willen zu einer Spende selbständig und verbindlich festhalten. Für Jugendliche ab 16 Jahren würden dieselben Regeln gelten wie für Erwachsene. Bei jüngeren Kindern und Jugendlichen werden die nächsten Angehörigen angefragt – in der Regel sind das die Eltern. Sie haben bei ihrem Entscheid jedoch die Meinung des Kindes zu berücksichtigen. Sind die nächsten Angehörigen nicht erreichbar, ist eine Organentnahme verboten.

Würde mit der Widerspruchslösung jede verstorbene Person zur Organspenderin oder zum Organspender?

Nein. Wenn eine Person zu Lebzeiten ihren Widerspruch festgehalten hat, dann dürfen nach dem Tod keine Organe oder Gewebe entnommen werden.

Zudem bleiben die medizinischen Voraussetzungen für eine Spende auch bei einem Systemwechsel gleich wie heute: Organe spenden können nur jene Personen, die auf der Intensivstation eines Spitals infolge einer schweren Hirnschädigung oder eines anhaltenden Kreislauf-Stillstands versterben. Verstirbt jemand ausserhalb des Spitals, ist eine Organspende nicht möglich.

Wo kann man seinen Willen für oder gegen eine Organspende am besten festhalten?

Wenn die Widerspruchslösung eingeführt wird, wird der Bund ein neues Register schaffen. Wer im Todesfall keine Organe oder Gewebe spenden will, sollte dies darin festhalten. Er oder sie kann auch eine Zustimmung darin eintragen. Ausserdem soll es möglich sein anzugeben, ob man gewisse Organe oder Gewebe von einer Spende ausschliessen möchte. Weiterhin wird man auch eine Vertrauensperson angeben können, der man den Entscheid überlässt.

Wer hätte Zugriff auf meine Daten im Register?

Zugriff auf das Register sollen jene Personen in einem Spital haben, die für Organspenden zuständig sind und bereits heute klären, ob eine Spende gewollt ist. Sie sollen im Register nur dann eine Abfrage machen können, wenn bei jemandem eine aussichtslose Prognose besteht und entschieden worden ist, die lebenserhaltenden Massnahmen abzubrechen.

Ist es unter der Widerspruchslösung möglich, einen bereits festgehaltenen Entscheid zu ändern?

Ja, ein Eintrag im Register kann jederzeit eigenhändig geändert werden. Wichtig ist auch, dass die Angehörigen über den neuen Entscheid informiert werden.

Bleibt meine Spendekarte auch unter der Widerspruchslösung gültig?

Ja, neben dem Register werden auch bisherige Möglichkeiten zur Willensäusserung weiterhin gültig bleiben (Spendekarte, Einträge in Patientenverfügungen oder im elektronischen Patientendossier). Allerdings wird empfohlen, den Willen im Register festzuhalten, da dies der sicherste Weg ist, dass der Wille schnell und zuverlässig gefunden werden kann.